Resiliente Technik an Laternen: Heinerboxen machen Darmstadt krisenfest
Derzeit installiert ein Team der TU Darmstadt gemeinsam mit der Wissenschaftsstadt die im LOEWE-Zentrum emergenCITY entwickelten Heinerboxen: Sensorboxen, die auch ein Notfallnetz aufspannen können. Sie erfassen nicht nur Umweltdaten und Verkehr, sondern testen auch neue Wege der Krisenkommunikation. Damit verwandelt sich der Darmstädter Lichtenbergblock in ein Reallabor für Notfallkommunikation und nachhaltige Stadtentwicklung.
Seit Ende November hängen die ersten Heinerboxen im Lichtenbergblock, einem zehn Hektar großen Teil des gründerzeitlichen Darmstädter Martinsviertels. Insgesamt rund 40 Boxen werden an Straßenlaternen montiert. Dort messen sie in etwa vier Metern Höhe das Mikroklima und den Verkehr im Quartier. Das Team des LOEWE-Zentrums emergenCITY hat die Heinerbox in und für Darmstadt entwickelt. Daher auch der Name: „Heiner“, der Spitzname der Darmstädterinnen und Darmstädter, trifft auf Sensorboxen. Das Besondere: Die Heinerbox misst im Alltag wie in der Krise und verfügt über die nötige Technik, um im Ernstfall ein Notfallnetz aufspannen zu können. Das Anwendungs- und Transferzentrum Digital Resilience Xchange (DiReX), das ebenfalls zur TU Darmstadt gehört, begleitet unter anderem die Weiterentwicklung der Boxen im Praxisbetrieb.
Der hessische Wissenschaftsminister Timon Gremmels erklärt:
„Mit den Heinerboxen zeigt Darmstadt, wie exzellente Forschung direkt im Alltag der Menschen ankommt. Was Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im LOEWE-Zentrum emergenCITY entwickelt haben, wird hier im Lichtenbergblock zum gelebten Transfer: Modernste Messtechnik hilft, das Stadtviertel besser zu verstehen und kann im Ernstfall Leben schützen. Die Messdaten der Heinerbox werden für alle öffentlich zugänglich sein und über eine Webseite zudem verständlich erklärt. Das erhöht das Vertrauen in die Wissenschaft enorm. Die Verbindung von Wissenschaft, Stadt und Zivilgesellschaft macht aus dem Quartier ein Reallabor für nachhaltige Stadtentwicklung und resiliente Krisenkommunikation – und damit zu einem Vorbild weit über Hessen hinaus.“
emergenCITY-Koordinator Matthias Hollick mit Heinerbox-Entwickler Frank Hessel besprechen die Entwicklung der Heinerbox.
Hanno Benz, Oberbürgermeister der Wissenschaftsstadt Darmstadt, betont:
„Für Darmstadt ist die enge Anbindung an die Forschung der TU Darmstadt ein Glücksfall. Hier im Quartier können wir erproben, welche Technologien bei der Stadtplanung von morgen und in Krisenzeiten helfen, ohne dass für die Stadt zusätzliche Kosten entstehen.“
Zum Reallabor im Lichtenbergblock gehört neben der Heinerbox auch die Litfaßsäule 4.0, der Prototyp einer Warnsäule auf dem Riegerplatz, die seit April dort steht. Die energieautarke Säule kann auch bei einem Stromausfall noch Informationen und Warnmeldungen anzeigen.
Resilienz und Nutzen für den Krisenfall von Anfang an mitgedacht
Die Sensorboxen sind so gestaltet, dass sie auch in Krisensituationen funktionieren. Selbst wenn Strom, Internet oder Mobilfunk für mehrere Tage ausfallen, erfassen sie weiter Daten, dank der Integration einer Batterie und verschiedener Funktechnologien wie LoRa, WiFi und Bluetooth. Gerade in einer Krise werden die Heinerboxen besonders wertvoll: Ihre Messwerte können Einsatzkräften entscheidende Hinweise liefern. So weisen zum Beispiel erhöhte Feinstaubwerte auf einen Brand hin und Verkehrsdaten unterstützen die Planung von Hilfsmaßnahmen. Solche praktischen Einsatzmöglichkeiten wird auch DiReX in den nächsten Jahren weiterverfolgen.
Die Platine der Heinerbox haben die Forschenden von emergenCITY selbst entwickelt.
„In Krisenzeiten brauchen wir zuverlässige digitale Technologie, um bestmöglich auf kritische Ereignisse reagieren zu können und uns schnell wieder von der Krise zu erholen. Mit DiReX investieren wir gezielt in die Zukunftsfähigkeit unseres Landes und stärken unsere digitale Resilienz, wissenschaftlich und praxisnah“, bekräftigt Prof. Dr. Kristina Sinemus, hessische Ministerin für Digitalisierung und Innovation, in Wiesbaden.
„Resilienz entsteht nicht im Labor, sondern im Miteinander“, ergänzt Michèle Knodt, Direktorin von DiReX und Professorin für Politikwissenschaft an der TU Darmstadt. „Wenn Menschen verstehen, mitreden und mitgestalten, wird digitale Technik zur echten Stärke in Krisen. Genau das wollen wir mit DiReX und der Heinerbox erreichen – gemeinsam mit der Stadt, der Politik und den Bürgerinnen und Bürgern.“
In Zukunft wollen die Forschenden mit den Heinerboxen auch neue Kommunikationsverfahren für den Krisenfall testen.
Ein Notfallnetz für die Bevölkerung im Lichtenbergblock
Die eingebauten Funktechnologien könnten zukünftig im Ernstfall auch ein Notfallnetz ermöglichen. Darüber ließen sich Warnmeldungen und Handlungsanweisungen der Behörden verbreitet oder Hilferufe absetzen. Die erste Idee: Sich per WLAN mit einer Heinerbox verbinden und auf dem eigenen Handy eine einfache Website mit aktuellen Lageinformationen angezeigt bekommen.
Um alle im Quartier einzubinden, begleitet die Heinerboxen eine breit angelegte Informationskampagne: Dazu gehören eine Website, Informationen im Viertel und ein Film mit prominenten Darmstädter Gesichtern wie Schauspieler Hans-Joachim Heist, Stadtführerin Aurora DeMeehl und YouTuber Dietmar Diamant. Außerdem setzen die Forschenden auf Transparenz: Die Messdaten und Forschungsergebnisse werden öffentlich zugänglich sein, damit alle sehen, was sich im Quartier verändert. Jede Laterne mit Heinerbox bekommt in den nächsten Wochen einen QR-Code, über den die Daten dann abgerufen werden können.
Um gemeinsam und vor Ort über Resilienz ins Gespräch zu kommen, ist im kommenden Frühjahr eine weitere Aktion geplant. DiReX und emergenCITY laden zur Familien-Rallye im Lichtenbergblock ein. Dabei dreht sich alles um die Heinerboxen und das Thema Krisenvorsorge – spielerisch, spannend und kindgerecht vermittelt. Am 21. März 2026 startet die Rallye mit einem großen Aktionstag, bei dem Familien und Interessierte an verschiedenen Stationen im Viertel rätseln, entdecken und ausprobieren können.